Tauberbischofsheim. Geschenkt wurde den 35 Teilnehmern des Tauberbischofsheimer Atemschutz- und Brandschutzseminars wahrlich nichts. Einmal pro Jahr ist solch ein Lehrgang angesetzt, bei dem an verschiedenen Übungsstationen der Ernstfall geprobt wird. Immens schwierige Aufgaben hatten sich die Ausbilder für die Atemschutzgeräte-Träger der Abteilungen Stadt sowie Dienstadt, Distelhausen, Dittigheim, Dittwar, Hochhausen und Impfingen ausgedacht.
Kein Wohlfühlort
„Dieses Seminar ist sehr beliebt, unsere Einsatzkräfte nehmen gerne daran teil“, erklärte Stadtkommandant Stefan Lindtner den FN vor Ort. Im dunklen Keller des Casinos, das als leerstehendes Gebäude wie geschaffen ist für solch eine Großübung der Feuerwehr, ist von Spaß jedoch nicht viel zu spüren – zumindest geht es der Reporterin so. Rauch und etwas undefinierbar Bedrohliches liegen in der Luft, dazu hämmern donnernde Rammstein-Klänge – nicht unbedingt ein Wohlfühlort an einem sonnigen Samstag, dem letzten Tag im September.
Doch um Wellness geht es hier auch nicht. Vielmehr dreht sich alles um Situationen, von denen man sich wünscht, sie würden nie eintreten. Im Keller besteht die Aufgabe zum Beispiel darin, ein verunfalltes Truppmitglied zu retten. Ein Sicherheitstrupp muss in kompletter Atemschutzausrüstung möglichst schnell zu dem Verletzten vordringen.
Puppe wiegt 70 Kilogramm
Damit die Übung so realitätsnah wie möglich ist, bekommen die Männer und Frauen in ihren dicken Einsatzkleidung eine Rauchfolie über das Visier ihrer Masken geklebt, damit sie wirklich so gut wie nichts mehr sehen. Der verletzte Feuerwehrmann besteht aus einer 70 Kilogramm schweren Puppe, die über einen von den Ausbildern als zusätzliches Hindernis errichteten Palettenturm gehievt werden muss. Ein Blick in die erschöpften, schweißnassen Gesichter danach zeigt, wie anstrengend und erschöpfend diese „Übung“ ist.
Rammstein, erklärt Stefan Lindtner, läuft dabei nicht nur als atmosphärische, lautstarke Untermalung der Rettungsaktion, sondern auch, um die Kommunikation der Helfer untereinander noch zu erschweren.
Die Ausbilder sind sehr zufrieden mit der Leistung der Atemschutzträger, geben hier und da noch Tipps. Und manchmal tun es auch ein flapsiger Spruch, ein kräftiger Schluck aus der Wasserflasche und frische Luft, um sich mit voller Kraft der nächsten Station zu widmen.
Draußen vor dem Casino wartet eine Übungstüre, die sich die Tauberbischofsheimer Wehr bei der Truppe von Lauda-Königshofen ausgeliehen hat. Mit dem Halligan- Tool, einem Hebel- und Brechwerkzeug speziell für die Feuerwehr, kann man Türen relativ schnell aufbrechen.
Doch auch dazu braucht man Kraft und die richtige Vorgehensweise, um sie dann auch rasch zu „knacken“. Gleichzeitig wird dabei auch der Umgang mit einem Rauchschutzvorgang geübt.
Auf der Wiese – das weitläufige Areal auf dem Laurentiusberg bietet ideale Bedingungen für jede Art von Trainings – wird das Handling eines Hochstrahlrohrs geprobt. Hier trainieren die Teilnehmer, wie sie in voller Montur und mit dem Strahlrohr in der Hand schnell vorwärtskommen, ohne sich dabei völlig zu verausgaben. Auch die verschiedenen Einstellungen dieses Rohrs sind Inhalt dieser Station.
Worst-Case-Szenario
Nebenan wird das richtige Vorgehen mit dem Sprungpolster trainiert, mit dem Menschen in einem Worst-Case-Szenario aus bis zu 16 Metern Höhe hineinspringen können. Auch der Aufbau der vierteiligen Steckleiter, die für die Personenrettung bei einem Wohnungsbrand eingesetzt werden kann, wird hier geübt. Um das richtige Schlauchmanagement geht es bei einem weiteren Programmpunkt. Die Aufgabe lautet hier: Eine vermisste Person wird in einer vollkommen verrauchten Wohnung im ersten Obergeschoss eines Hauses vermutet. Um möglichst flott zu dieser Person vordringen zu können, muss natürlich auch das Schlauch-Handling im Treppenhaus funktionieren. Diesen Menschen dann im verrauchten Dunkel zu finden, gehört zur zweiten Herausforderung.
Wie man jemanden aus dem Fenster rettet, steht ebenfalls auf der Tagesordnung. Um den in diesem Fall bewusstlosen Menschen in den Drehleiterkorb zu heben oder auch „nur“ aus einem Fenster im Erdgeschoss ins Freie zu transportieren, wendet die Feuerwehr bestimmte Handgriffe und Techniken an – und auch die müssen sitzen, wenn es einmal wirklich darauf ankommen sollte. Als sehr interessierter Überraschungsgast schaut am Mittag Dittigheims Ortsvorsteher und Gemeinderatsmitglied Elmar Hilbert auf dem Laurentiusberg vorbei.
Begeisterter Überraschungsgast
Solche Präsenzübungen ohne Zeitdruck erachtet er als ungemein wichtig: „Hier kann die Feuerwehr in Ruhe ausprobieren, wie eine Gefährdungslage angegangen werden kann und wie man mit ihr umgeht. Die Teilnehmer können sich weiterentwickeln und sich noch besser auf Notfälle einstellen und somit noch schneller helfen. Solche regelmäßigen Übungen sind lebensnotwendig, sowohl für die Einsatzkräfte als auch für die Menschen in Gefahr. Dadurch werden die Teams auch noch besser aufeinander eingespielt, Abläufe automatisiert und Fehlerquellen minimiert. Das hier ist eine ganz tolle Geschichte“, sagt er gegenüber den FN.
Stadtkommandant Stefan Lindtner und die rund zwölf Ausbilder sind am Ende des anstrengenden und herausfordernden Tages vollauf zufrieden mit der Leistung der 35 „Seminar“-Teilnehmer. Lindtner freut sich auch über das schöne Miteinander der einzelnen Abteilungen untereinander. Nach dem gemeinsamen Aufräumen klingt diese Großübung mit einem Barbeque, für das die Abteilung Impfingen sorgt, aus. Eine Frage muss zum Schluss aber noch sein: Lief denn den ganzen Tag über Rammstein im Casino-Keller? Stefan Lindtner antwortet lachend: „Nein, wir spielten auch mal Helene Fischer.“
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