„Projekt Familienhebamme“

Eltern beim Umgang mit Neugeborenen helfen, ist Ziel der ganz frühen Hilfen

Seit zehn Jahren kümmern sich Diakonisches Werk und Caritasverband um Familien mit Kindern von der Geburt bis zum ersten Lebensjahr

Von 
Heike von Brandenstein
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Nicht den Staffelstab, sondern ihre Babywaage übergab die erfahrene Familienhebamme Christine Göhring an ihre Nachfolgerin Heike Dannenmann bei ihrer Verabschiedung. © Alexandra Helmich

Sie haben eine wichtige Funktion, wenn ganz junge Frauen – etwa 15-Jährige – ein Kind erwarten oder Familien während der Schwangerschaft und nach der Geburt aus welchem Grund auch immer unter Druck stehen: Familienhebammen.

Main-Tauber-Kreis. 2014 haben der Caritasverband im Tauberkreis, die Caritas Heilbronn-Hohenlohe und das Diakonische Werk im Main-Tauber-Kreis das Projekt „Familienhebamme“ aus der Taufe gehoben. Ein griffiger Begriff, der allerdings nichts mit Geburtshilfe zu tun hat. Vielmehr geht es darum, Frauen und Familien in der Zeit der Schwangerschaft bis zur Vollendung des ersten Lebensjahres zu begleiten, ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und Fragen zu beantworten.

Christine Göhring war von Anfang an dabei – als einzige gelernte Hebamme, die diese Berufsbezeichnung auch führen darf. Ihre Kolleginnen, die etwa Kinderkrankenschwester gelernt haben, verfügen über eine Weiterbildung zur Gesundheitsfachkraft der frühen Hilfen. Christine Göhring ist zum 1. Oktober in den Ruhestand gegangen, ihre Nachfolgerin heißt Heike Dannenmann. Einen Monat lang hat sie Göhring begleitet und sich mit ihrer neuen Aufgabe vertraut gemacht.

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Von
Diana Seufert
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Die Gesundheitsfachkräfte „Frühe Hilfen“ können nicht gebucht werden und verlangen kein Honorar. Vielmehr machen andere Beratungsstellen, Hebammen in der Nachsorge, Klinik-Sozialdienste, Frauen- und Kinderärzte oder die Schwangerschaftsberatung auf Mütter oder Familien aufmerksam, die Hilfe benötigen. Im Main-Tauber-Kreis existiert ein gut ausgebautes „Netzwerk frühe Hilfen“, das vom Jugendamt koordiniert wird. Letzteres finanziert auch das „Projekt Familienhebamme“, Caritas und Diakonie schießen Eigenmittel zu.

Zuständig ist das Team für den gesamten Main-Tauber-Kreis, das Angebot ist präventiv und freiwillig. Das Klientel beschreibt Christine Göhring so: „Das sind Minderjährige Eltern, Familien oder Frauen, deren Kinder schnell hintereinander geboren werden oder die unter sozialer Isolation leiden.

Auch Familien, in denen psychische oder körperliche Einschränkungen Thema sind, gehören zu ihrem Betreuungskreis. Göhring nennt als Beispiele Mütter mit einer postnatalen Depression oder eine Alleinerziehende, deren Kind mit Trisomie 21 geboren wurde.

Fachkräfte einbinden

Letztere sei mit diser unerwarteten Situation komplett überfordert gewesen. Sie habe nicht gewusst, wie und wo sie sich Hilfe suchen kann und was sie bei der Ernährung zu beachten hat.

Christine Göhring habe ihr geholfen, ein Netzwerk zu knüpfen und die Versorgung des Kindes zu organisieren. Sie stellte den Anschluss an eine Gruppe her, in der sich Eltern von Kindern mit Down-Syndrom austauschen, fand eine Physiotherapeutin, die ins Haus kam, und einen Logopäden.

„Eltern müssen oft erst lernen, auf ihr Kind einzugehen“, sagt Carina Kuhn, Koordinatorin des Projekts beim Diakonischen Werk. Dabei gelte es, die Zeichen, die ein Kind aussendet, zu deuten. Große Themen seien immer, eine Tagesstruktur zu schaffen, Schlafen und Rituale. „Ein Leben mit einem Baby ändert alles“, stellt Heike Dannenmann fest. Sie weiß, dass die Bindung zwischen Eltern und Kind gehemmt wird, wenn ständig der Fernseher läuft und mit dem Handy gespielt wird. „Es gibt Kinder, die mit vier Jahren noch nicht richtig malen können, weil sich kaum jemand mit ihnen beschäftigt“, stellt Christine Göhring fest.

„Beim Einsatz von Gesundheitsfachkräften wird Basisarbeit geleistet“, umreißt Carina Kuhn die präventive Maßnahme. Müttern oder Eltern wird gezeigt, wie sie ihr Baby mit einfachen Mitteln beschäftigen können. Das kann eine selbstgebastelte Rassel sein, indem Reis, Erbsen oder Bohnen in eine unverschluckbare Dose geschüttet werden, das können auch ungefährliche Gegenstände mit unterschiedlicher Form und Oberfläche sein, um die Haptik zu fördern. „Manch einer Mutter muss auch gezeigt werden, dass sie ihr Kind nie allein auf dem Wickeltisch liegen lassen darf, weil das Gefahren birgt“, so Heike Dannenmann.

Unsicherheit nehmen

Gestartet war das Projekt 2014 mit 15 Stunden in einer Familie. Heute sind das eine bis 30 Stunden. Bei Kindern mit schweren Behinderungen können es auf Antrag auch mehr Stunden sein. Wenn die Gesundheitsfachkräfte merken, dass sie viele Fragen klären und Unsicherheiten ausräumen konnten, beenden sie die Maßnahme. „Durch Anschlusshilfen sind Familien im Main-Tauber-Kreis auch bei Vollendung des ersten Lebensjahrs ihres Kindes gut versorgt“, meint die Projektleiterin.

Christine Göhrings Nachfolgerin absolviert derzeit die einjährige nebenberufliche Ausbildung zur Fachkraft „Frühe Hilfen“. Die gelernte Kinderkrankenschwester hat in der Kinderintensivstation im Caritas Krankenhaus und in der Früh- und Neugeborenen- einschließlich Kinderintensivstation in Heidenheim gearbeitet. Ihre neue Aufgabe hat sie mit großem Engagement angenommen. Christine Göhring hat ihr viel Optimismus mit auf den Weg gegeben.

Erfüllender Beruf

Christine Göhring: „Das ist ein sehr erfüllender Beruf, der viele Freiheiten bietet, aber auch Flexibilität fordert. Ich kann nur sagen: Es waren zehn wunderschöne Jahre.“

Redaktion Zuständig für die Kreisberichterstattung Main-Tauber

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