22. Fremdensitzung - Die Oberlaudaer „Rootzen“ und ihre Gäste verstanden es einmal mehr, ausgelassen zu feiern

Guillotine statt Thron für Schultes Maertens

Von 
Reinhard Haas
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Wenn man närrische Stimmung mit dem Thermometer messen könnte, hätte es am Freitag bei der Fremdensitzung der Narrengesellschaft (NGO) in der Festhalle gekocht.

Oberlauda. Trotz separatem Empfang der Gastabordnungen wurde es nach dem Einzug auf der Bühne gewohnt eng. Stefan Schulz ließ es mit seinem „Gag Lauda“ ruhig angehen. Nach seinem in seine Hände gekommenen Grußwort von Präsident Holger Ebert für Bürgermeister Thomas Maertens und dem mit schrägen Tönen gespickten Abschiedslied „Nur du“ für die Briten und deren Brexit, hatte er noch ein übergroßes original Panini-Bild von Holger Ebert als Jugendtrainer mitgebracht.

Wo war die Prinzessin?

Eigentlich sollte nun das Prinzenpaar einziehen. Prinz Udo I. wurde von den Fränkischen Herolden Kützbrunn in den Saal geleitet – aber wo war Prinzessin Nicole I.? Der Prinz hatte seine Prinzessin nicht nur vergessen, er hatte sie anscheinend auch nicht gefragt, ob sie seine Prinzessin sein wolle. Beides wurde nachgeholt mit Kniefall und der Klarstellung, warum ein Heckfelder und eine Eubigheimerin bei den „Rootzen“ Prinzenpaar machen.

Dann hieß es „Bühne frei“ für den ersten Einzelauftritt. Tanzmariechen Ira Jonas (Königshofen) wirbelte über die Bretter. Artistik, Sport und Beweglichkeit pur – da war die erste Zugabe fällig.

Einst waren sie beide Stadträte, dann der Stadtrat und sein Ex, jetzt sind sie „Es war einmal“: Werner Kilb und Kurt Breitenstein. Kommunalpolitik unter anderen Gesichtspunkten ist aber immer noch ihr Thema. Wo liegen die Unterschiede zwischen Halbwahrheiten, Fakenews oder Blödsinn? Welche Ziele verfolgt der Bürgermeister mit seinen Umtrieben im Stadtgebiet? Wird er einfach nur missverstanden? Lassen ungeahnte Waffenfunde bei den „Rootzen“ Schlimmeres vermuten? Das grüne Kreuz vor der Turnhalle deuteten sie als Katzenfriedhof und dass die aktuelle Seuche aus China auch Oberlauda bedrohe, war für sie genau so klar wie die Tatsache, dass, wenn alles überstanden und das Dorf wieder besiedelt sei, plötzlich ein Stück Wald mehr fehle. Ihr Gegenrezept: kräftig Fasnacht feiern und hochprozentig immunisieren. Eindeutig auch ihr Appell an den zukünftigen Bürgermeister: „Such’ dir einen Bauplatz in Oberlauda“!

Wie wird man Cowboy? Die Kindergarde der NGO klärte 34-beinig auf. Sie wirbelte über die Bühne, war immer in Bewegung, ritt, was das Zeug hält, warf Lassos.

Schule fertig – aber welche Probleme bringen jetzt Studium, Freizeit und Sport? Niklas Hellinger war dieser Frage auf der Spur, begleitet von seiner Trompete und inspiriert von wahren Begebenheiten im Ort. Was veranlasst zum Beispiel den Präsidenten, eine Fußballmannschaft mit mäßigem Erfolg zu trainieren, oder warum war beim Krippenspiel Elferrat Benni Ambach als Darsteller für die Maria oder das Christkind denkbar ungeeignet?

Oase der Intelligenz

Dafür ist aber für den Ex-Schüler der Bildungsstandort Oberlauda eine Oase der Intelligenz und, das „Ober“ sagt es schon: schöner als Lauda. Überraschend für alle präsentierte er einen Brief von Anette Schmitt aus Tauberbischofsheim, die eine Kandidatur bei der Bürgermeisterwahl in Erwägung ziehe. Das offizielle Schreiben liege vor.

Wann macht Schule wieder richtig Spaß? Natürlich beim Thema „School is out“ – und wenn die Jugendgarde der NGO dazu tanzt. Das war Tanzen in seiner schönsten Form.

65 Jahre NGO mit dem entsprechenden Orden, im Video vorgestellt vom „Breitschwanzrootz“ Berti Renk – auch mit der Erklärung, warum erst im kommenden Jahr richtig gefeiert werde.

Was immer man von einem Marschtanz erwartet – die Prinzengarde erfüllte alles: Schritte, Figuren, Überschläge, Spagate und ganze Passagen mit begeistertem Beifall und einer Rakete als verdientem Ergebnis.

Mit dem nächsten Geburtstagskind, den „Säubochklopfern“, ging es weiter: Laut, aber nicht schräg, mit anscheinend keinen Nachwuchsproblemen, jederzeit im richtigen Takt und mit Ohrwurm nach Ohrwurm.

„Ab geht die Post“ versprach die Prinzengarde Grünsfeld – bei diesem Personal wartet man ausnahmsweise gerne auf die Post. Die Zugabe wurde umgehend gegeben –völlig unbürokratisch.

Haben die „Amigos“ Probleme mit Heckfelder Randgruppen? Das stieß auf heftige Proteste eben jener und hier vor allem „Frei Schnauze“. Marianne Diez, Rainer Hammerich, Tobias Sauer und der Prinz rückten die Dinge aus ihrer Sicht zurecht und klärten auch auf, woher das Beste komme: Natürlich aus Heckfeld. Etwa das Abwasser.

Fazit: Man verträgt sich, bleibt wohlgesonnene Nachbarn und verhindert, dass Heckfeld direkt an Lauda grenzt.

„Buga“ bedeutet nichts anderes als „Bei unserem Gründungsmitglied Alfred“. Die „Amigos“ starteten von dort aus einen Videobesuch beim Waldkindergarten mit erstaunlich großen Kindern im Rentenalter, die immer noch über sehr kindliche Stimmen verfügen . . .

Es war mit Sicherheit der letzte Auftritt von Thomas Maertens als Bürgermeister auf der heimischen Bühne – und den gestalteten die „Amigos“ feierlich. Da flossen Tränen, erst recht als er zum „Bürgermeister der Herzen“ gekrönt wurde. Die Situation änderte sich aber schnell, als sich der Thron in einer Guillotine verwandelte. Zum Abschied gab es für ihn noch einen Auftritt mit den Damen vom „Krawatte, Knopf oder Euro“.

Nach Russland entführt

Die Prinzengarde der NGO entführte die Narren mit „Anastasia“ in das zaristische Russland, eine rasante Zeitreise mit fantasievollen Kostümen und pausenlosem Geschehen auf der Bühne.

Einen Gaul für den Bürgermeister als zu erwartenden nächsten Arbeitslosen in Oberlauda? Grüne Kreuze gegen das Bienensterben, nicht jedoch auf St. Pauli? Das WSC-Heim mit freizügigen Bildern aus den 70ern? Waldkindergarten oder Baumschule, Früherziehung im Wandel der Zeit und mit Zeckengarantie? „Volapük“ Helmut hatte das dörfliche Zeitgeschehen genauestens analysiert. Es wurde nochmals gruselig – der Elferrat tauchte „aus der Gruft“ auf. Dem offensichtlichen Spaß der Tänzer und dem Erfolg beim Publikum tat dies keinen Abbruch.

Die letzte Zugabe war fast schon zwangsläufig. Dann ging ging die 22. Fremdensitzung unter der Leitung von Holger Ebert zu Ende.

Freier Autor Freier Mitarbeiter seit etwa 40 Jahren, hauptsächlich für den örtlichen Bereich des Lauda-Königshöfer Stadtteils Oberlauda. Weiterhin als Berichtverfasser für die "Schule für Musik und Tanz im Mittleren Taubertal" (Musikschule Lauda mit den Mitgliedsgemeinden Lauda-Königshofen, Boxberg-Wölchingen und Grünsfeld). Im Bereich des Badischen Chorverbands bin ich für den Sängerbund Badisch-Franken (ca 80 Vereine, Altkreis Tauberbischofsheim, Randgebiete Hohenlohekreis, Neckar-Odenwaldkreis und Kreis Heilbronn) als Pressereferent tätig. Beiträge von mir wurden auch schon in den Verbandsorganen des BFV (Im Spiel) und DFB veröffentlicht und als Ergebnis davon erhielt der Fußballverein Oberlauda vom DFB/Sepp-Herberger-Stiftung im vergangenen Jahr den 3. Preis in der Rubrik "Fußball Digital".

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