Wer hätte das gedacht: Die Hälfte der künftigen Ge-meinderatsmitglieder ist neu. Und das Gremium wuchs von 19 auf 22 Räte an. Die Creglinger hatten – anders als wegen der vermeintlichen Politikmüdigkeit befürchtet – zahlenmäßig und personell gute Listen zusammengestellt, und das wurde von den Wählern mit einer im Vergleich zu 2019 gestiegenen Wahlbeteiligung honoriert.
Die SPD hatte zwar nur sieben Bewerberinnen und Bewerber, schaffte aber das Kunststück, davon vier in den Gemeinderat zu bringen. Die beiden verschwisterten Listen WCB und WFC wiederum festigten ihre dominierende Stellung. Und Walter Wörrlein schaffte über einen Ausgleichssitz als Einzelkämpfer ebenfalls den Sprung in den Gemeinderat. Eine Gesamtkonstellation, die frischen Wind und hoffentlich auch mehr kontroverse Diskussionen bringt. Denn „gelebte Demokratie“, wie sie sich Bürgermeister Uwe Hehn wünscht, gibt es nicht zum Nulltarif. Sie ist für alle harte Arbeit, geprägt durch die Suche nach guten Kompromissen – was Niederlagen mit einschließt.
Herausfordernde Themen gibt es in Creglingen genug: den Umbau des ehemaligen Krankenhauses in ein Ärztezentrum, den Ausbau der regenerativen Energien, das nach wie vor nicht beerdigte Industriegebiet bei Frauental, den Hochwasserschutz oder auch die Stadtentwicklung – immer mehr Läden im Kernort machen dicht. Da sind Ideen, neue Wege gefragt. Dass es auch unkonventionell geht, hat der „Laden“ in der Hauptstraße bewiesen.
Dass mit Reinsbronn und Frauental zwei Ortschaften nicht mehr mit einem eigenen Vertreter im Gremium sitzen, ist die Schattenseite der reformierten unechten Teilortswahl. Die vom Gemeinderat letztes Jahr beschlossene Variante der unechten Teilortswahl mit der Bildung von neuen Wahlbezirken ist vielleicht nicht perfekt, aber die gesetzlichen Vorgaben hatten die Kommune zum Handeln gezwungen. Eine Alternative wäre die komplette Abschaffung der unechten Teilortswahl gewesen – was zu noch krasseren Ergebnissen hätte führen können.
Wenn wahr ist, was in Sonntagsreden gerne proklamiert wird, dann ist Creglingen inzwischen so zusammengewachsen, dass es für den einzelnen Ort nicht mehr entscheidend ist, ob man im Gremium direkt vertreten ist. Jeder gewählte Bürgervertreter ist schließlich dem Wohl der ganzen Gemeinde verpflichtet. In den nächsten fünf Jahren wird sich zeigen, ob Theorie und Praxis auseinanderklaffen.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/creglingen_artikel,-creglingen-gelebte-demokratie-_arid,2214501.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/creglingen.html
Fränkische Nachrichten Plus-Artikel Arno Boas zur Gemeinderatswahl Gelebte Demokratie