Neckar-Odenwald-Kreis. Einen Blick in die Geschichte anlässlich des Jubiläums „50 Jahre Neckar-Odenwald-Kreis“ wagt der Buchener Bürgermeister a.D. und Ehrenbürger Josef Frank:
„Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten“, sagte einmal Helmut Kohl. Deshalb sei mir, anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Neckar-Odenwald-Kreises, als einem der letzten Zeitzeugen ein Blick in die Geschichte erlaubt.
Strukturen der Zukunft anpassen
Seit Beginn der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ist das Land Baden-Württemberg dabei, seine inneren Strukturen den Erfordernissen der Zukunft anzupassen. Marksteine in der Entwicklung der letzten Jahrzehnte sind zum Beispiel der Landesentwicklungsplan, das Zentrale Ortesystem und die Regierungserklärung unter Ministerpräsident Hans Filbinger vom Januar 1967.
Vor der Kreisreform gab es 63 Landkreise. Die Notwendigkeit wird erkennbar in der unterschiedlichen Größe der Landkreise. Der größte Landkreis war Ludwigsburg mit 296 000 Einwohnern, der kleinste Künzelsau mit 33 000 Einwohnern.
Die Verwaltungsreform fand in der nach der Landtagswahl 1968 gebildeten großen Koalition CDU/SPD eine ausreichende politische Legitimation. Um Grundlagen für diese umfassende Reform zu erhalten, wurden drei Kommissionen gebildet. Die zuständige Kommission wurde auch nach Anton Dichtel benannt (Dichtel-Kommission). Die Kommission für die staatliche Verwaltung leitete der Mannheimer Oberbürgermeister Dr. Reschke (SPD), die ebenfalls seinen Namen trug (Reschke-Kommission). Die CDU gründete eine eigene Kommission.
Während aus dem Landkreis Buchen weder Landrat noch Bürgermeister mitarbeiteten, war aus dem Landkreis Mosbach der Mittelschefflenzer Bürgermeister Oskar Binig (SPD) Mitglied der Dichtel-Kommission. Der CDU-Kommission gehörte der Zwingenberger Bürgermeister Hubert Zimmermann (CDU), der spätere Bürgermeister von Limbach, an. In der Mitarbeit dieser genannten Personen ist auch der Grund zu suchen, dass die verantwortlichen des Landkreises Mosbach über die Entwicklung der Kreis- und Gemeindereform immer bestens informiert waren.
Bis zur Verabschiedung des Kreisreformgesetzes am 26. Juli 1971 wurde über folgende Reformmodelle beraten: Denkmodell der Landesregierung zur Kreisreform Dezember 1969, Vorschlag: 25 Landkreise und fünf Stadtkreise. Reformmodell der CDU-Kommission vom Februar 1970 Vorschlag: 13 Regionen, 38 Landkreise und acht Stadtkreise. Modell des gemeinsamen Ausschusses der Dichtel- und der Reschke-Kommission vom Juli 1970: zwölf Regionen, 36 Landkreise und acht Stadtkreise. Entwurf eines ersten Gesetzes zur Verwaltungsreform (Kreisreformgesetz) vom Januar 1971, Vorschlag: elf Regionen, 35 Landkreise und acht Stadtkreise.
Festzustellen ist, dass in allen Denkmodellen Mosbach als Kreissitz ausgewiesen war, während auf Landesebene praktiziert wurde, dass die schwächere Kreisstadt den Kreissitz erhält und die größere Kreisstadt „Große Kreisstadt“ wurde, so zum Beispiel Tauberbischofsheim Kreissitz und Bad Mergentheim „Große Kreisstadt“. Hier stellen sich Fragen über Fragen!
Erkennbar bei allen Modellen war, dass Gemeinden aus dem Landkreis Buchen abgegeben werden mussten, zur Stabilisierung der Bevölkerungszahlen in anderen Landkreisen, so zum Beispiel an den Main-Tauberkreis, an den Hohenlohe-Kreis und an den Landkreis Heilbronn.
Auch Gemeinden aus dem alten Landkreis Buchen suchten ihr Heil in der Zuordnung in andere Landkreise. So forderte zum Beispiel Hardheim die Zuordnung nach Tauberbischofsheim, Adelsheim wollte nach Heilbronn und Krautheim nach Künzelsau.
Interessant ist auch, dass man die alte Kreisgrenze zwischen Unterdielbach, jetzt zum Landkreis Heidelberg gehörend, und Oberdielbach nicht änderte, obwohl Ober- und Unterdielbach eine geschlossene Ortschaft bildet. Ein Beispiel dafür, was mit politischer Stärke möglich ist. Heute bedauert man in Eberbach diese Entscheidung. Für Buchen sind auch einige Aussagen in den Denkmodellen zunächst positiv angesprochen worden. So zum Beispiel im Reformmodell der CDU mit der Bildung einer Region Odenwald bestehend aus den beiden Landkreisen Mosbach-Buchen und Tauberbischofsheim- Bad Mergentheim. Bei Verwirklichung dieses Vorschlages hätte Buchen als Sitz der Regionalverwaltung eine echte Entwicklungschance gehabt. Während die Kreis- SPD dieses Modell unterstützte und auch Buchen als Sitz der Regionalverwaltung für richtig hielt, fand dieser Vorschlag nicht die Unterstützung von Walter Krause (SPD) und damit keine parlamentarische Mehrheit.
Nicht nachvollziehbar ist die Tatsache, dass die CDU, nachdem sie bei der Landtagswahl 1972 die absolute Mehrheit erreicht hatte, ihren eigenen seiner Zeit eingebrachten Vorschlag einer Region Odenwald, mit dem Sitz der Regionalverwaltung in Buchen, nicht weiterverfolgte.
Neben den Reformkommissionen gab es noch einen Sonderausschuss, besetzt nur mit Landtagsabgeordneten. Als Mitglied dieses Ausschusses brachte Hugo Geisert einen Antrag in dieses Gremium ein mit dem Ziel, dass Buchen den Kreissitz erhält und Hardheim im neuen Landkreis bleibt. Er fand bei den CDU-Kollegen breite Unterstützung, auch aus der SPD-Fraktion und der FDP wurde Unterstützung signalisiert. In Mosbach allerdings schlug dieser Antrag wie eine Bombe ein. Die Reaktionen dort waren für Buchen demütigend und an Arroganz nicht mehr zu überbieten. So zum Beispiel die Äußerung des Mosbacher Landrats Ditton: „ …soll der Sitz des Großkreises in ein zurückgebliebenes und unterentwickelndes Kleinstädtchen verlegt werden.“ Und das war noch harmlos gegenüber anderen Äußerungen.
Aber es gab durchaus auch versöhnliche Worte. Werner Haas (SPD) meinte unter anderem voller Einsicht: „Schluss jetzt mit Papier und Schluss jetzt mit rauen Worten gegen die Einwohner von Buchen und Umwohner von Buchen. Keine weitere Arroganz, Herablassung und Übermut, denn in der Vergangenheit waren manche Briefe ein Fehler. Schluss mit allem.“
Mosbach der ärmere Landkreis
Zu unserer Überraschung ergab eine Bestandsaufnahme nach der Fusion, dass es noch einen ärmeren Landkreis gab als den Buchener, nämlich den Mosbacher.
Am 23. Juli 1971 war es soweit. Für Buchen stimmten 40 Abgeordnete der CDU, von der SPD ein Abgeordneter, von der FDP zwei Abgeordnete, von des NPD ein Abgeordneter und ein Parteiloser, insgesamt 45 Stimmen. Für Mosbach stimmten sechs Abgeordnete der CDU, von der SPD 34, von der FDP 13 von der NPD sieben Abgeordnete, insgesamt 60 Stimmen. Es gab zwölf Enthaltungen von der CDU und eine von der FDP.
Wie ich seiner Zeit von Staatssekretär Ruder vom Innenministerium, erfahren habe, wurden die Stimmen von der CDU zuvor gut ausgelotet, so dass es keine Überraschung für eine Kreissitz Buchen gab. Buchen hatte seine Chancen nicht genutzt. So wurde in Mosbach die Fraktion der NPD im Rathaus empfangen und hofiert, in Buchen wurde sie ausgeladen.
Bei der Abstimmung über den Kreissitz hat man diese Behandlung nicht vergessen. Die Landesregierung sah eine wesentliche Aufgabe des Landes im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform darin, die Zentralität der betroffenen Kreisstädte zu erhalten und nach Möglichkeit noch zu stärken.
Buchen erhielt aus diesem Programm 2,5 Millionen Mark. Nach heftigen Diskussionen entschied der Ministerrat am 7. November 1973, dass folgende Behörden in Buchen blieben, beziehungsweise neu zugeteilt wurden: Landratsamt-Außenstelle, Vermessungsamt-Außenstelle, das Landwirtschaftsamt, das Flurbereinigungsamt, das Forstsamt, das Amtsgericht, das Notariat, das Veterinäramt(neu), das Gesundheitsamt-Außenstelle, Straßenbauamt-Außenstelle (neu) und Wasserwirtschaftsamt-Außenstelle (neu). Leider haben diese Sonderbehörden, außer Amtsgericht und Notariat, ihre Selbstständigkeit, durch die Eingliederung in das Landratsamt, verloren. Buchen ist nach diesen Reformen nach 700 Jahren keine Amtsstadt mehr.
Fairerweise muss anerkannt werden, dass die Verantwortlichen des Landkreises die Außenstelle des Landratsamtes mit Dienststellen (ehemals selbstständige Sonderbehörden) verstärkt haben.
Ohne Zweifel hat sich der neue Landkreis gut entwickelt und es war nicht einfach, Kurpfälzer und Franken zu einer Zusammenarbeit zu bewegen. Es ist aber gelungen. Ich wünsche dem Neckar-Odenwald-Kreis ein langfristiges Bestehen.
Allerdings: Die von Dr. Schlegel in ihrem Leserbrief angedeutete Kreisreform, mit Bildung der Großkreise, wird kommen. Wohin die Reise geht, zeichnet sich ab, nach Heilbronn (siehe Polizeireform). Verlierer wird, bei dieser neuerlichen Kreisreform, der ländliche Raum.“