Buchen. „Wer hat eigentlich schon mal etwas von der Deutschen Nationalbibliothek gehört?“ Diese Frage stellte der ehemalige BGB-Schüler und Direktor der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) in Leipzig Johannes Neuer im Atrium der Jahrgangsstufe 12 zu Beginn seines Vortrags mit dem Titel „Bibliotheken und KI – wird alles anders?“. Der gebürtige Buchener, der im August dieses Jahres seine Stelle angetreten hatte, stellte den Schülerinnen und Schülern eindrücklich dar, welchen Auftrag die DNB vom Gesetzgeber hat und welche Herausforderungen sich in einer zunehmend digitalisierten Welt ergeben.
Nach insgesamt 18 Jahren in den Vereinigten Staaten von Amerika, davon 2009 bis 2018 als Director of Digital Engagement und Director of Customer Experience an der New York Public Library, ist Neuer nun Direktor und ständiger Vertreter des Generaldirektors einer Institution, die sich als das „Gedächtnis der Nation“ verstehe. Durch das Sammeln, Erschließen, Bewahren und Bereitstellen aller Medienwerke in Schrift, Bild und Ton mit einer Auflage ab 25 Stück in und über Deutschland oder in deutscher Sprache aus anderen Ländern ergebe sich seit ihrer Gründung im Jahr 1912 ein Fundus von circa 46 Millionen Medienwerken, von denen etwa zwölf Millionen rein digital gesammelt worden seien – ein Verhältnis von analog zu digital, das sich in naher Zukunft sicherlich umkehren werde.
Die Dimensionen, die ein solches Unternehmen umfasse, zeigten sich allein daran, dass jedes Jahr sechs Regalkilometer an Medienwerken hinzukämen, die in komplexen Lagersystemen in Leipzig und Frankfurt am Main archiviert werden. Die Planung und der Bau eines neuen Magazingebäudes für weitere 213 Regalkilometer ist die Mammutaufgabe, die unter anderem in Johannes Neuers Aufgabenbereich fällt.
Ein wesentlicher Aspekt in dem knapp einstündigen Vortrag war das Konzept der Bibliothek als „Dritter Ort“. Damit gehe eine Nutzerzentrierung einher, die den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt einer modernen Bibliothek stellten. Bibliotheken im 21. Jahrhundert seien Begegnungs- und Wohlfühlorte, an denen nicht nur Medien-, sondern auch Lebenskompetenz vermittelt werde.
Dies schließe Programme mit ein, die zum Beispiel Seniorinnen und Senioren dabei unterstützten, digitale Kluften zu überwinden, oder aber Programme zur Leseförderung im Kontext pädagogischer Angebote, und dies nicht nur im Rahmen der üblichen 25 Wochenstunden, an denen eine Bibliothek in der Regel geöffnet habe, sondern der Idee einer „Open Library“ folgend.
Hinter den Kulissen, und das führte Johannes Neuer zu seiner Eingangsfrage zurück, sei es die Künstliche Intelligenz (KI), die einen Umschlag von 8000 Datensätzen pro Tag und deren Kategorisierung erst ermögliche, und das übrigens bereits seit knapp 15 Jahren.
Die Qualitätssicherung durch maschinelle und intellektuelle Verfahrensweisen seien die Basis, um beispielsweise KI-gestützte Suchmaschinen, 24/7-Service-Chats mit KI und eine Beförderung der digitalen Geisteswissenschaften zu realisieren. Komplett robotisierte Magazine seien keine Zukunftsmusik, sondern deren Herausforderungen, Planung und Umsetzung stünden schon jetzt mit dem Neubau auf der Agenda der kommenden zehn Jahre. Daher sei das gängige Bild von Bibliothekaren und Bibliothekarinnen, die sich nur mit Büchern beschäftigen, veraltet.
Es brauche Spezialistinnen und Spezialisten aus verschiedensten Fachbereichen, um die komplexen Aufgaben der DNB umsetzen zu können.
Die differenzierten Rückfragen der Schülerinnen und Schüler und auch das Aufzeigen von Praktikumsplätzen an der Deutschen Nationalbibliothek unterstrichen das gegenseitige Interesse zwischen den angehenden Abiturientinnen und Abiturienten und dem ehemaligen BGB-Schüler, ebenso wie die Aussicht, Johannes Neuer im jährlichen Turnus zu Gast am Burghardt-Gymnasium zu haben. Mt
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