Bad Mergentheim. Die Geschwister Troussow (die Pianistin Alexandra Troussowa und der Geiger Kirill Troussow) sind inzwischen bei den Museumskonzerten bestens eingeführt, ihr jüngstes war schon ihr drittes Gastspiel im voll besetzten Roten Saal des Deutschordensschlosses, für das sie in Person von Cellist Benedict Kloeckner einen weiteren absolut hochkarätigen Kollegen mitgebracht hatten. Gegeben wurden an diesem Abend ausschließlich Beispiele aus dem reichhaltigen Kammermusik-Oeuvre von Pyotr Iljitsch Tschaikowski, darunter sein gewaltiges Klaviertrio op.50 – ein durchweg romantischer, ja hochromantischer Kammermusikabend also, zugleich so glanzvoll und faszinierend, wie man ihn auch an diesem Ort noch selten erlebt hat.
Weltklassegeiger mit Stradivari
Die beiden Troussows standen an diesem Abend im Roten Saal wieder im Mittelpunkt, das ergab sich quasi von selbst. Von dem aus Petersburg stammenden Geschwisterpaar geht, wo es erscheint, eitel Glanz aus: Einmal von Alexandra Troussowa, der fulminanten Pianistin, die eine stolze und autochthon russische Schönheit darstellt und nicht nur mit ihrem kraftvollen, weit gespannten, klangfarbenreichen Anschlag sondern auch mit höchst ausdrucksvollen Mienenspiel fasziniert und von Bruder Kirill, dem Weltklassegeiger mit seiner Stradivari „Brodsky“ (das selbe Instrument, mit dem Tschaikowskys Violinkonzert uraufgeführt wurde), ihrem Widerpart und zugleich ideale Ergänzung, als Musikerpersönlichkeit von ebenso bannender Ausstrahlung. Sie wirkt schon, bevor der erste Ton erklingt, dann löst sich die Spannung, und der Geiger hebt an, seinem edlen Instrument Töne von einer sonoren Fülle und Herrlichkeit zu entlocken, die mit Worten nicht zu fassen ist. Daneben wirkte der junge Cellist Benedict Kloeckner (Jahrgang 1989) als Dritter im Bunde fast bescheiden, freundlich und unprätentiös und gewinnt die Sympathien des Publikums auf Anhieb mit einer humorvollen Anmoderation. Dass er beileibe nicht zufällig mit von der Partie und weit mehr als nur Mitspieler ist, demonstriert er gleich zu Beginn als Solist in drei Tschaikowsky-Duos mit Alexandra Troussowa, von denen besonders das dritte, das „Pezzo capriccioso“ seit langem zu den Paradestücken jedes ambitionierten Cellisten gehört.
Einen ganzen Abend mit Tschaikowsky zu bestreiten, ist trotz der relativ leichten Zugänglichkeit und Popularität seiner Musik immer auch ein Wagnis, es gilt also, den Meister auf der Klaviatur der slawischen Seele von unterschiedlichen Seiten zu zeigen, den schwerblütigen, tiefgründigen und den heiteren, unterhaltsamen, geistreich funkelnden, wobei in jeder der Kompositionen dieses im Leben sehr unglücklichen Künstlers ohnehin von all diesen Eigenschaften etwas enthalten ist – nur zu unterschiedlichen Anteilen.
So erlebte man bei diesem Konzertabend Tschaikowsky in praktisch all seinen Facetten, als den Schöpfer bitter-süßer, zuweilen bizarrer, doch immer origineller und eleganter Salon-Piècen oder auch wilder und schwerblütiger, schmerzlich-elegischer langsamer Sätze wie der berühmten „Meditation“, die ursprünglich als der zweite Satz des Violinkonzerts gedacht, dann aber verworfen worden war. Benedict Kloeckner meisterte seine Nocturne op. 19, den Valse sentimentale op. 52 und nicht zuletzt das virtuose Capriccioso mit wunderbar entspannter, unglaublich griffsicherer Beredtheit, Troussow exzellierte in der Meditation mit kernigen Dunkelheiten, hinreißend schlackenlosen Spitzentönen auf der e-Saite und ließ in dem Valse-scherzo op.34 richtig die Fetzen fliegen.
Abenteuerliche Reise
Zum großen Finale präsentierten sich Troussowa, Troussow und Kloeckner als klassisches Klaviertrio in Tschaikowskys 1882 entstandener monumentaler Triokomposition a-moll „A la memoire d’un grand artiste“(gemeint war sein Freund, der Pianist und Komponist Nikolaj Rubinstein). Dieses Trio nahm den ganzen zweiten Teil des Abends in Anspruch und sprengt nicht nur im Umfang, sondern auch in der Klanglichkeit die Grenzen der klassischen Gattung (vielleicht auch die Aufnahmefähigkeit eines ungeschulten Publikums). Trotz seiner Anleihen an den klassischen Formenkanon tendiert das Werk in Richtung Sinfonie und stellt damit ein typisches Beispiel der romantischen Epoche dar. Die drei Musiker schienen sich weniger um solche Probleme zu kümmern, dafür um so intensiver dem Kern der gewaltigen musikalischen Erzählung nachzuspüren, sich ohne innere Reserve auf sie einzulassen und gleichsam ein williges Publikum auf eine phantastische und abenteuerliche Reise mitzunehmen.
Riesenbeifall zum Schluss, für den sich die Geschwister Troussow und Benedict Kloeckner noch mit einem reizenden Beispiel der leichten Muse, dem anspielungsreichen „Tango pathétique“ von Peter Kiesewetter bedankten.