Bad Mergentheim. Wer vom Markelsheimer Bahnhof dorfeinwärts geht, dem fällt halbwegs vorm Rathaus linkerhand ein rotweißes Schild an einem Haus auf. Es weist, wie zuvor eine Steinkerbe mit Datum, auf das verheerende Hochwasser der Lochbach, wie’s gut fränkisch heisst, am 9. Mai 1906 hin. Diese heimatgeschichtlichen Tafeln gehen auf die Initiative des Architekten und nimmermüden Erkunders der Baugeschichte von Schloß und Stadt, Günther Deeg, zurück, der für den Kulturverein 1967 mit der Ordensstadt begann und ab 1979 mit Markelsheim und den andern Ortsteilen weiterführte.
Auf der fruchtbaren, deshalb schon im hohen Mittelalter weitgehend waldentblössten, Hohenloher Ebene und dem lösslehmschweren, schon prähistorisch dem Ackerbau erschlossenen Gäu fehlt es an wasserspeichernden Waldböden. So kann es dort im Gefolge der tauberwärts drängenden Bäche in den Seitengründen des Flusses weitaus öfter zu Hochwasserkatastrophen kommen als im Taubergrund selbst.
Es war ein sonniger Maitag, als sich im Südwesten gegen zwei Uhr nachmittags eine Gewitterwolkenfront aufbaute und wuchs, die sich eine Stunde später unter Blitz, Donner, Hagel und Wolkenbrüchen entlud. Der Markelsheimer Ortschronist Konrad Seifriz, Oberlehrer, hat die Katastrophe 1924 eindringlich erzählt: „so wälzte sich die schlammige Flut von den Höhen herab, nahm Apfelbach teilweise schwer mit ... gen Markelsheim die Mauern des Friedhofes wurden teilweise eingerissen... Grabsteine und Kreuze durcheinander geworfen... In der Pfarrkirche stand das Wasser annähend einen Meter hoch.“
Große Wucht
Die wahre Not begann, als das übernächste Ortsbrücklein so verschlammt war, dass der schmale Bachgrund die Wassermassen endgültig auf Gassen und Dorfstraße zwang, Scheuerntore auf und Riegelwände mit sich riss, Gartenmauern durchbrach und in der Weingasse die schwersten Wagen und Pflüge mitnahm. Am Rathaus wurde die Statue St. Nepomuks samt Postament gestürzt, die Dorflinde schwer mitgenommen. Am Rathaussteg wollte Metzger Denninger angestautes Holz entfernen. Im Rathaus selbst war der Gemeinderat eingeschlossen. Von da aus warf man Denninger ein Seil zu. Seifriz: „Schon glaubte man ihn geborgen, als in halber Höhe der morsche Strick zerriss und eine Menge von Menschen, ja seine eigenen Kinder, mussten mitansehen, wie der unglückliche Vater rücklings herunterfiel, von den Fluten erfasst und in die Tiefe gezogen wurde...“. Am Abend wurde die Leiche am Wehr der Igersheimer Mühle geborgen. Der Witwer Denninger hinterließ neun, zum Teil noch kleine Kinder.
In der Hauptstraße standen die Keller unter Wasser, verwüstete die Schlammflut Ställe, Geschäfte, Wohnungen. An die zwanzig Schweineställe wurden weggeschwemmt. Das ertrunkene Vieh wurde bis Königshofen fortgeführt. Das Taubertorhaus verschwand, die Überreste mussten abgebrochen werden. In den flussabwärts liegenden Orten versuchte die Feuerwehr mit Fanghaken an Möbeln, Wäsche, Fässern und Waren zu retten, was möglich war. In Markelsheim lag der Schlamm einen halben Meter hoch. Konsequenzen: Die unregelmäßig gewundene, eng gefasste Lochbach wurde vertieft, auf einem Kilometer korrigiert, aufgemauert, mit Geländer versehen und neu überbrückt.
Wohl das einzige Hochwassermal der Kernstadt Mergentheim finden wir an der inneren moosgefleckten Hofgartenmauer zwischen dem Aufgang zur Badbrücke und dem Schellenhäusle. Eigentlich ist es nur ein auffällig grauer Stein mit der Jahreszahl 1736. Er erinnert an das Hochwasser des Jahres 1732, das die Mauer einriss, die in fast vierjähriger Arbeit von den Mergentheimern wieder aufgerichtet wurde. bfs