Bad Mergentheim. Ohne Grenzen, also ohne Abstand, wäre unser aller Dasein nur noch Chaos. Grenzen trennen und schützen. Es gibt sichtbare und unsichtbare Grenzen, gesetzte wie naturgegebene. Halten wir uns an erstere. Das konnten markant gerodete Ödlandstreifen sein, Raine, später auch Mauern, Heckenzeilen, versteinte Linien, Gitter und Zäune.
Es begann mit Stammesgrenzen, denen herrschaftliche Territorien, Gemeindemarkungen und privates Bodeneigentum folgten. Früh schon gehörten sie einer numinosen, ja göttlichen, sakralen Sphäre an. Das zeigt schon der Begriff des Grenzfrevel; der Grenzfrevler muß als Geist umgehn. Im Wörterbuch der Brüder Grimm umfasst das Stichwort Grenze samt seinen Bezügen zu Kult und Brauchleben zwanzig Spalten. Übrigens soll über den Deutschordenssstaat Preußen der aus dem Slawischen stammende Begriff Grenze das germanische Synonym Mark hierzulande abgelöst haben.
Grenzen sind nie undurchdringlich. Sie können durchbrochen oder zu friedlichem Eingang geöffnet werden. Jede Stubentüre, jedes Portal, jedes Tor lädt so zugleich ein. Und solch ein einladendes und zugleich abschirmendes Bauwerk war auch das Tor zum Mergentheimer Hofgarten am Ende der Kapuzinerstraße. Nach Kriegsende war da noch ein repräsentatives Pfeilerpaar mit einem Holzgitter dazwischen. So blieben das vegetative Grün der Bäume, Büsche, Wiesen vom Grau der Straßen, die nur von Vogel und Insekt getönte erholsame Gartenstille vom lärmigen, staubigen Verkehr geschieden.
Ja und dann verschwanden irgendwann Pfeiler und Gitter heimlich-unheimlich. Die Mergentheimer scheint das nicht interessiert zu haben. Zuständig war ja der Staat als Schlossherr.
Die einzige uns bekannte Reaktion geschah mal in der Mitgliederversammlung des Kulturvereins, als der frühere Oberstudiendirektor Alois Haas den hässlich aufgerissenen Eingang zum Hofgarten in der Kapuzinerstraße beklagte. Das war im März 1984. Und seither? Seither gähnt ein trostlos düster-saugendes Loch da, wo mal ein herrschaftliches Pfeilerpaar als Grenzmal aufgerichtet stand. bfs