Leserbrief: Landschaftsschonende Fortentwicklung gilt es zu beachten Stadtbild unnötig und leichtfertig beschädigt

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An einem Frühlingstag, wie wir ihn heuer erleben, kam ich im Jahre 1952 zum ersten Mal nach Wertheim.

Tauberabwärts fahrend, begrüßte mich am Ortseingang eine lange zwei Meter hohe Buntsandsteinmauer, deren Ende von einem Gartenhäuschen gekrönt wurde (die so genannte "Ernestinenruhe" - Anm. der Redaktion).

Das Häuschen war geschmückt mit einem uralten Wildrosenbusch; zur Rechten der Straße leuchteten die blühenden Obstbäume in voller Pracht; vorne die roten Dächer der historischen Altstadt; gegen den Himmel zeichneten sich die Zinnen und Türme der Burgruine. Mich nahm die Einheit der lieblichen Landschaft mit der ehrwürdigen alten Stadt gefangen.

Ich schrieb in mein Tagebuch:

"Das Land ist schön, voller Kultur und Geschichte, mit einem aufgeweckten Menschenschlag; der Wein hat Qualität; die Rehböcke sind gut; die Residenzstadt ist ein Ort zum Wohlfühlen; Herz was willst du mehr!"

Zehn Jahre später: Das Gelände erwirbt eine Baufirma. Die kunstvoll behauenen, mit Steinmetzzeichen versehenen Steine, werden stückweise "versilbert", auch das Gartenhäuschen wird zu Geld gemacht.

Der Blick des von Süden in die Stadt kommenden Besuchers fällt in das Gedärm des sich schonungslos entblößenden Bauhofs.

Fast unbemerkt ist ein Kleinod des Stadtbildes verschwunden. Man war der Meinung, was Geld bringt, ist gut für Wertheim!?

Fast 50 Jahre später: Frühlingsstimmung wie zuvor. Der Osterspaziergang hat uns das Mainufer entlang geführt. Wir unterqueren die Spessartbrücke und die Odenwaldbrücke. Beide Bauwerke sind Zweckbauten aus Beton. Sie schwingen sich über die Wertheim prägenden Flüsse, ohne dem Stadtbild und dem Landschaftsbild zu schaden. Die Brücken bilden das Bindeglied zwischen Stadt und Natur.

Doch dann prallt der Blick auf mehrere Stockwerke hohe gestelzte Betonwände, die den Blick auf Altstadt und Burgruine versperren.

Plakate verkünden: "Hier entsteht ein Kaufland" - ein Selbstbedienungs-Gelände. Ein Geldumschlageplatz, an dem Geld gewonnen und ausgegeben und verdient wird. Also wieder: "Was Geld bringt, ist gut für Wertheim!?"

Von Süden her gesehen ist das Stadtbild Wertheims - unnötig und leichtfertig - beschädigt worden. Von Norden her hat man unnötig und leichtfertig dem Besucher den Blick auf die Stadt durch den Bau eines Betonklotzes verwehrt.

Die städtebaulich, topographisch schwierige, beengte Lage an Main und Tauber mit dem Hochwasserproblem, ist zugleich das Pfund Wertheims, mit dem es wuchern kann. Es ist dies: Die historische Altstadt und die Burg, in Einheit mit den Steilhängen des Main- und des lieblichen Taubertals. Jede Störung dieser Einheit muss durch landschaftsschonende Fortentwicklung vermieden werden, ohne einen Fortschritt zu blockieren. Dass dies möglich ist, hat unsere Nachbarstadt Freudenberg eindrucksvoll bewiesen.

Freudenberg hat die Gestaltung des Mainufers mit einem effizienten Hochwasserschutz, trotz technisch notwendigem Einsatz von Beton, wohltuend landschaftspfleglich gelöst.

Auch die Gestaltung der Burgruine unter Einbeziehung der Bevölkerung in kulturelle Aktivitäten könnte Anregungen für unsere Stadt geben.

Ich kann nur hoffen, dass bei der kommenden Kommunalwahl besonnene Frauen und Männer in Wertheims Gremium einziehen, die sich der Verantwortung für unsere liebe alte Stadt bewusst sind.

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