Leserbrief - Zu „Der neue Kreisrat des Main-Tauber-Kreises auf einen Blick“ (FN, 29. Mai) Ein verkapptes Bürgermeister-Treffen?

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Die FN haben uns Bürger des Main-Tauber-Kreises am 29. Mai die neuen Kreisräte vorgestellt – herzlichen Glückwunsch zur Wahl. Beim Durchsehen der neuen Kreisräte ist mir jedoch aufgefallen: Da fehlt doch eine Fraktion? – Die Fraktion der Bürgermeister!

Erstaunlich ist die Besetzung des Kreisrates dahingehend, dass von 48 Sitzen die stolze Anzahl von 16 Sitzen von Bürgermeistern des Main Tauber-Kreises besetzt sind.

Gegenüberstellen muss man da, dass bei insgesamt 18 Gemeinden und Städten in unserem Landkreis gerade mal zwei Bürgermeister nicht in den neuen Kreisrat eingezogen sind.

Da stellen sich gleich mehrere Frage, die zur Diskussion anregen sollen: 1. Ist die demokratische Grundpluralität dieses Gremiums eigentlich noch gegeben, wenn dort hauptamtliche Bürgermeister sitzen, die unserer Vertretungen im wichtigsten Organ des Landkreises sein sollen?

2. Ist der Kreistag ein verkapptes Bürgermeister-Treffen und gibt es hierfür kein anderes Gremium? Wie erfolgt eigentlich die Abgrenzung der hauptamtlichen Bürgermeistertätigkeit von den Entscheidungen, die zum Wohle des gesamten Landkreises und nicht einzelner Städte und Gemeinde dienen sollen? Inwieweit ist die Fraktion der Bürgermeister dann befangen?

3. Werden die zwei Städte und Gemeinden, die ihren Bürgermeister dort nicht finden, nicht benachteiligt und führt dies nicht unweigerlich dazu, dass bei der nächsten Wahl 2024 dann alle Bürgermeister sich zur Wahl stellen und aufgrund ihres Bekanntheitsgrades auch gewählt werden?

4. Und schließlich: Wird das Recht auf Selbstverwaltung und zugleich die Aufsichtspflicht über die Städte und Gemeinde noch eingehalten, wenn ein Drittel der Mitglieder sich quasi selbst überwacht und dabei unterschiedliche Interessen miteinander kollidieren?

Sicherlich ist der Main-Tauber-Kreis (leider) kein Einzelfall in Baden-Württemberg, jedoch macht es die Sache dadurch nicht besser. Vielmehr müsste landesweit sichergestellt werden, dass eine Ämterhäufung und somit Machtkonzentration in den Händen von wenigen zukünftig ausgeschlossen ist. Auf der großen politischen Ebene und insbesondere bei unseren europäischen Nachbarländern sind wir da schnell in unserem Urteil: Das geht nicht, das gefährdet die demokratische Grundpluralität, das löst die Gewaltenteilung auf!

Vor unserer Haustüre, in unserem Landkreis und in Baden-Württemberg ist es mit der Verteidigung der demokratischen Strukturen dann aber anscheinend nicht mehr so weit her.

Daher hoffe ich, dass die anderen Mitglieder des Kreistages, die noch eine Mehrheit gegenüber der Fraktion der Bürgermeister haben, sich auf den Weg machen, um hier Änderungen durchzusetzen.

„Wir wollen mehr Demokratie wagen“ (Willy Brandt), was übrigens auch durch eine Direktwahl des Landrats, wie in allen anderen Bundesländern üblich, möglich wäre.