Edelpilzanbau

Ein Eldorado für Genießer

Familie Kubach aus Sindolsheim konzentriert sich auf den Anbau von „Schwammerl“

Von 
Elisabeth Englert
Lesedauer: 
Arno Kubach bei der Ernte der Austernpilze. © Elisabeth Englert

Die Adresse stimmt. Dennoch beschleichen mich zarte Zweifel. Kein Schild bestätigt mir, dass ich richtig bin. Vermutlich bin ich deshalb zunächst an der Einmündung zur kleinen Sackgasse vorbeigefahren, an deren Ende ich nun stehe. Ein freundlicher junger Mann begrüßt mich und ich bin definitiv richtig. Ich Glückspilz!

Ich befinde mich auf dem Edelpilzanbaubetrieb der Familie Kubach in dem kleinen Rosenberger Ortsteil Sindolsheim, der sich mit seiner Bio-Käserei, dem Grünkern- und Trüffelanbau zu einem wahren Gourmet-Hotspot im Bauland entwickelt.

Breite Vielfalt

Während Pilze landläufig mit Champignons gleichgesetzt werden, offenbart sich hinter den Mauern eine breite Vielfalt an Arten, Formen, Farben und Geschmack. Seit Frühjahr 1993, also seit nunmehr genau 30 Jahren, werden hier auf dem ehemals landwirtschaftlichen Gehöft von Sigrid Kubachs Eltern edle Speisepilze angebaut.

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Veröffentlicht
Von
Larissa Schwedes und Gisela Gross
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Klar war damals, auf dem schon von den Eltern im Nebenerwerb bewirtschafteten Betrieb etwas Besonderes zu kultivieren, erzählt Arno Kubach, gelernter Gärtner mit Fachrichtung Gemüseanbau. Der erste Gedanke einer Chicorée-Treiberei wurde aufgrund eines nicht vorhersehbaren Preisverfalls der bitteren Sprossen verworfen. Sie waren – um im Pilzjargon zu bleiben – kaum einen Pfifferling mehr wert.

Erst jetzt kamen die Pilze, explizit die, Champignons ins Spiel. In der Versuchsanstalt für Pilzanbau in Krefeld, auf der sich das visionäre Ehepaar über die Umsetzbarkeit seiner Pläne in den ehemaligen Wirtschaftsgebäuden des Hofes informierte, begegnete ihnen zum ersten Mal der Shiitake, ein fester, aromatischer, vielseitig in der Küche einsetzbarer, gesunder Pilz mit wertvollen Inhaltsstoffen.

„Voll überzeugt“

„Sein Geschmack hat uns voll überzeugt“, erinnert sich Kubach an diese Liebe auf den ersten Biss. Fortan verfolgten beide mit viel Pioniergeist ihr Ziel, bauten die Räumlichkeiten den Anforderungen des Pilzes entsprechend um und spezialisierten sich auf den delikaten Shiitake. „Damals gab’s noch nicht so viel Wissen über Pilze“, gibt er zu bedenken.

Nach und nach kamen weitere Pilze wie Austernpilze, Kräuter-, Limonen-, Kastanien- oder Rosenseitlinge, Goldkäppchen, Frisée, Pom-Pom, Buchenpilze, Maitake dazu. Die Aufzählung ist bei weitem nicht vollständig, doch wer den Champignon vermisst, hat gut aufgepasst. Den nämlich bauen die leidenschaftlichen Pilzliebhaber nicht an. Und schmunzelnd berichtet Kubach von Kunden, die vor seinem umfangreichen Angebot stünden, den Champignon nicht fänden und fragten: „Habt ihr auch Pilze?“

Um diesem Wunsch zu entsprechen, beziehe er diesen in hoher Qualität von einem zuverlässigen, guten Kollegen. Überdies betont er, sei er kein Züchter, sondern Pilzanbauer. Denn er beziehe sein mit Sporen geimpftes Substrat, schaffe für dieses geeignete Wachstumsbedingungen und nehme, im Gegensatz zum Züchter, keinerlei Einfluss auf das Saatgut. Darüber hinaus seien seine Pilze nicht exotisch. „Die könnten alle hier wachsen“, seien aber nicht verbreitet, weil die natürlichen Rahmenbedingungen in den hiesigen aufgeräumten Wäldern nicht passten. Mittlerweile, so merke er in Gesprächen mit Förstern, habe ein Umdenken eingesetzt, so dass das im Boden schlummernde Mycel auf Totholz Fruchtkörper ausbilden könne.

Grob strukturiert

Grobes, strukturiertes Sägemehl, Hackschnitzeln ähnlich, Stroh, „Zuschlagstoffe“ wie Maismehl, Weizenkleie, Gips, um den PH-Wert zu neutralisieren, und „ganz viel Wasser“ bildeten das Substrat, aus dem die Pilze zwar nicht aus dem Boden, so doch aus den Substratquadern schießen.

Auf langen Regalreihen ruhen diese zwischen zehn Tagen bis zu drei Wochen, bis die ersten Fruchtkörper erntereif seien.

Unumgänglich sei die tägliche Kontrolle. Je nach Pilzart wie etwa beim Shiitake oder Austernpilz könne in mehreren Wellen, beim Buchenpilz oder Kräuterseitling indessen nur einmal geerntet werden.

Die unterschiedlichen Substrate lagern in drei, ihren Bedürfnissen angepassten Räumen. Buchenpilze und Goldkäppchen, die eine hohe Luftfeuchtigkeit liebten, sind auf den ersten Blick vor lauter hauchfeinem Nebel kaum zu erspähen. Doch nach und nach heftet sich der Blick an die goldleuchtenden Goldkäppchen. Eine passgenaue Ultraschallvernebelung schaffe völlige Tropfenfreiheit. Die Limonenseitlinge kann selbst der Laie auf Grund ihrer zartgelben Farbe zuordnen. Man spürt, es handelt sich um eine sehr spezifische Nische, die ebensolche umfassenden Kenntnisse erfordert.

Wertvoller Dünger

Das abgeerntete Substrat werde von der Plastikummantelung befreit und als wertvoller Dünger auf den Feldern des Hofs Heilig in Gerichtstetten ausgebracht, mit dem eine im wahrsten Sinne des Wortes fruchtbringende Zusammenarbeit bestehe. Denn auch dort baut der 62-Jährige Pilze an, die im 24-Stunden-Hofladen erntefrisch zu erwerben seien.

Ansonsten konzentriere sich der Verkauf auf die „sehr hoch frequentierten“ Wochenmärkte in Frankfurt und Hanau, aber auch auf Naturparkmärkten im Neckar-Odenwald-Kreis und ausgesuchten besonderen Events wie Kunsthandwerkermärkten, den Gartentagen in Langenburg und ähnlichem könne der Besucher aus dem breiten Sortiment auswählen und in den Genuss der frisch am Imbisswagen zubereiteten Pilzdelikatessen kommen. „An unserem Verkaufswagen gibt es immer Frischpilze und Imbiss“, berichtet der Vater zweier erwachsener Söhne.

Der jüngere Sohn Michael, gelernter Bäcker und Koch, sei inzwischen auch ins Speisepilzgeschäft eingestiegen und habe zusammen mit seiner Mutter Sigrid die leckeren Spezialitäten entwickelt, die man frisch vor Ort oder eingeschweißt und eingekocht zu Hause genießen könne. Die Palette reiche von der Pilzpfanne aus gemischten Pilzen, „Pilzonese“, Maultaschen, Wirsingrouladen, Wraps, Kartoffeltaschen – alles mit Pilzfüllungen – über Pilzburger, Grünkern-Pilz-Taler bis hin zur Shiitake-Butter.

Den sich verändernden Ernährungsgewohnheiten entgegenkommend, seien einige Gerichte vegan. Gerade die in den Goldkäppchen enthaltene Stärke sowie das Eiweiß sorgten für eine natürliche Bindung auf Pflanzenbasis, weiß der Pilzkenner zu berichten. Noch koche man im Imbisswagen, doch richte man aktuell eine Wirtschaftsküche ein, um die Pilzliebhaber in größerem Stil zu versorgen. Seit drei Jahren seien die edlen Speisepilze bio-zertifiziert. Das Verfahren für die zubereiteten Speisen laufe noch.

Waren gibt’s im Hofladen

Selbstverständlich müsse der Kunde hier aus der Region nicht nach Frankfurt fahren oder auf einen der Bauernmärkte warten, ein Anruf und die Waren werden im Hofladen in Gerichtstetten bereitgestellt.

So lässt sich im Handumdrehen ein gesunder, delikater, besonderer Genuss aus dem (Pilz-)Hut zaubern.